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Queer im Museum Raum 6

Der Tabak­waren­händler Willy Käcker aus Wismar

In einen Fußweg eingelassener, quadratischer "Pflasterstein" aus Messing mit dem Namen und Lebensdaten Willy Kaeckers, eingefasst von 8 gleichgroßen Granit-Steinen
Quelle: Florian Ostrop Stolperstein für Willy Käcker, verlegt im Februar 2017

In Mecklenburg-Vorpommern wurden bislang drei Stolpersteine für schwule Männer verlegt. Zwei davon liegen in Waren an der Müritz, der dritte und jüngste in Wismar.

Eine goldschimmernde Platte im Gehweg vor dem Wohnhaus Hinter dem Chor Nr. 17 erinnert an den Kleinunternehmer Willy Käcker. Er starb im Alter von 37 Jahren im Konzentrationslager Auschwitz, weil der nationalsozialistische Staat schwule Männer als Gefahr „für die Gesunderhaltung des deutschen Volkes“ ansah.

Willy Käcker - geboren in Wismar, gestorben in Auschwitz

Zeitungsangzeige Eröffnung des Tabakwarengeschäfts von Willy Käcker
Quelle: Archiv der Hansestadt Wismar Mecklenburger Tagesblatt vom 4. März 1933.

Willy Hans-Heinrich Käcker wurde am 2. Juli 1905 geboren – als drittes und jüngstes Kind einer Handwerkerfamilie.

Nach der Obertertia an der Wismarer Oberrealschule absolvierte er eine dreijährige Lehre beim Wismarer Getreidehändler Karl Sodemann. Im Anschluss lernte er bei seinem Vater das Tischlerhandwerk. Während der 1920er-Jahre unterstützte er als Geselle den Vater, der Tischlermeister war.

Am 4. März 1933 eröffnete Willy Käcker dann mit 27 Jahren sein eigenes Tabakwarengeschäft. Es befand sich im elterlichen Haus Hinter dem Chor 17, nahe seiner Taufkirche St. Nikolai. Bereits ein Jahr später konnte Käcker seinen Laden umbauen lassen, in dem er neben gewöhnlichen Zigaretten ausschließlich Zigarren "erster Firmen“ führte.

Das schwarzweiß Foto zeigt im Vordergrund zwei Wohnhäuser, im Hintergrund ist der Chor der Wismarer Nikolaikirche zu sehen.
Quelle: Stiftung Mecklenburg Blick aus dem Laden von Willy Käcker auf seine Taufkirche Sankt Nikolai, vor 1938.

Doch das Glück währte nur wenige Jahre. Am 2. Juli 1938 nahm die Wismarer Polizei den jungen Unternehmer fest.

Vorwurf: Verstoß gegen § 175 in seiner 1935 verschärften Form

Paragraf 175 des Reichsstrafgesetzbuchs stellte homosexuelle Kontakte zwischen Männern unter Strafe . Die Nazis hatten ihn nach der Entmachtung der SA im „Röhm-Putsch“ verschärft: Seit 1. September 1935 waren nicht mehr nur beischlafähnliche Handlungen strafbar, sondern allgemein "Unzucht" und somit viele andere Formen von Zärtlichkeit, z.B. Küssen oder gegenseitige Onanie.

In Frakturschrift: Reichsgesetzblatt

Verschärfter § 175 ab September 1935

§ 175. (1) Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.

Entscheidend für die Verschärfung war die Streichung des Attributes "widernatürlich" vor dem Wort Unzucht.

Die Verhaftung Willy Käckers sowie eines Wismarer Bäckermeisters am selben Tag bildete den Auftakt für die Festnahme von insgesamt 15 schwulen Männern aus Wismar, Schwerin, Dorf Mecklenburg und Berlin bis zum 19. August 1938. In Wismar führten Beamte der Grenzpolizeinebenstelle Wismar die Verhöre, einer durch Kriminalsekretär Wilhelm Wilken geleiteten Außenstelle der Gestapo mit Sitz im Haus Fürstengarten 27. Auch Schweriner Beamte waren an den Verhören beteiligt. Die Staatspolizeistelle Schwerin unterhielt ein eigenes Referat Homosexualität.

Schwarzweiß Zeichnung: Sitz der Großen Strafkammer in Schwerin
Quelle: Stiftung Mecklenburg Sitz der Großen Strafkammer in Schwerin.

Schauprozess in Schwerin gegen 15 Angeklagte

Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht in Schwerin beantragte am 18. Oktober 1938 ein Verfahren bei der Großen Strafkammer. Dem folgend, verhandelte Landgerichtsdirektor Sarkander am 20. und 21. Januar 1939 gegen die 15 Angeklagten. Über den Prozess und dessen Ausgang berichtete die Presse in längeren Meldungen – unter Nennung aller Namen der Verurteilten. Neben dieser öffentlichen Anprangerung dienten hohe Haftstrafen der Abschreckung: Mit weniger als einem Jahr Freiheitsentzug verließ keiner der Angeklagten den Gerichtssaal.

Zwei Männer wurden zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt, die gemäß der vielfach überlieferten Haftakten in Dreibergen-Bützow vollzogen wurden. Der Wismarer Käcker erhielt für „drei in sich zum Teil fortgesetzte Handlungen“ drei Jahre Gefängnis.

Artikel über das Urteil der Großen Strafkammer in Schwerin gegen Willy Käcker  (Teil 1)
Quelle: Archiv der Hansestadt Wismar

Artikel über das Urteil

Mecklenburger Tagesblatt vom 21. Januar 1939.

Er sollte niemals wieder freikommen. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe wurde er in „Schutzhaft“ genommen. Willy Käcker starb am 18. Januar 1942 in der Krankenabteilung des Konzentrationslagers Auschwitz.