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Queer im Museum Raum 2

Von der heimlichen Ehe zur vielfältigen Gesellschaft

Brauner Buchdeckel mit hellbraunen Blumen und dem Text "Adolf Wilbrandt, Fridolins heimliche Ehe."
Quelle: Stiftung Mecklenburg Adolf Wilbrandt, Fridolins heimliche Ehe,
3. Auflage, erschienen 1899 in Stuttgart.

Der Roman eines Rostockers eilt seiner Zeit voraus

„Schau um Dich, mein Sohn, spricht Fridolin, und Du wirst finden, daß jeder Mensch ein merkwürdig Gemenge männlicher und weiblicher Eigenschaften in sich trägt.“

Der in Rostock geborene Direktor des Wiener Burgtheaters Adolf Wilbrandt veröffentlichte 1875 einen außergewöhnlichen Roman. „Fridolins heimliche Ehe“ war einer der ersten literarischen Prosatexte mit queerem Inhalt. Sofort nach dem Erscheinen wurde das Buch zum Bestseller. Eine Übersetzung von Clara Bell machte es 1884 auch in den USA zu einem der ersten queeren Romane.

Wilbrandt beschreibt das unterschiedliche Begehren und die geschlechtliche Vielfalt der Hauptfigur. Dabei werden fließende Grenzen zwischen Weiblich- und Männlichkeit reflektiert. Die Vorlage für die Hauptfigur war der Rostocker Friedrich Eggers.

Auszug aus "Fridolins heimliche Ehe",
Roman von Adolf Wilbrandt.
Gelesen von Wolfram Pilz

Zeichnung mit dem Potrait Friedrich Eggers
Quelle: Stadtarchiv Rostock, Sign. 1.4.7.118 Friedrich Eggers (1819 – 1872)

Friedrich Eggers

Vorlage für die Hauptfigur des Romans

Der Kunsthistoriker wurde 1819 in Rostock als dritter Sohn des Unternehmers Christian Friedrich Eggers geboren.

Zu seinen Geschwistern gehörte der spätere Gerichtspräsident und Rostocker Senator Karl Eggers.

Eggers verfasste literatur- und kunsthistorische Schriften, wirkte als Redakteur und Herausgeber, begründete das Deutsche Kunstblatt und war angesehener Professor der Kunstakademie Berlin.

Er starb 1872 in Berlin und wurde in Rostock beigesetzt.

Portrait von Adolf Wilbrandt
Quelle: Stiftung Mecklenburg Adolf Wilbrandt (1837–1911).

„Suchen sie den Mann?

Nur die weibliche Hälfte ihrer Seele sucht den Mann. Die andere Hälfte nicht; sie hat den Mann in sich selbst.

Suchen sie die Frau? Nur diese andere Hälfte ihrer Seele sucht nach der Frau. Sie können sich nicht ergänzen, denn sie sind schon ergänzt. Sie sind mit sich selbst verheiratet.

Sie leben mit sich selbst in einer heimlichen Ehe.“

Juristische Verfolgung im 19. und 20. Jahrhundert

Deckblatt mit Titel und Urheber in Fraktur-Schrift
Quelle: Landesbibliothek M-V Kriegsrecht von Herzog Friedrich Franz I., 1810:

Sodomiterei oder Vermischung mit dem Vieh und andere widernatürliche Sünden werden mit 5 bis 10jähriger Vestungsstrafe bestraft.

Die bislang drohende Todesstrafe für Homosexualität (hier "Sodomiterei" genannt) ist nun durch langjährige Haft ersetzt. Das Nebeneinanderstellen von Homosexualität und dem Missbrauch von Tieren blieb hingegen erhalten. Der Ausdruck „widernatürliche Sünden“ deutet auf die religiöse Wurzel der Verfolgung.

Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund, 1870, gleichlautend im Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich vom 15.05.1871

§ 175. Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.